Werner Jacob
Biografie
Werke
1. Musiktheater
2. Vokalmusik
3. Instrumentalmusik
Informationen

2. Vokalmusik

Geistliches Konzert (1963)

für Alt-Solo, Oboe, Bassklarinette, Horn, Viola, Violoncello und Orgel

Manuskript

UA: 18. Juni 1964, Nürnberg, St. Sebald, 13. Internationale Orgelwoche Nürnberg

Jeanne Deroubaix, Alt; Ein Kammerensemble der Nürnberger Symphoniker; Werner Jacob, Orgel; Leitung: Carl Gorvin

 

 

Requiem – Epitaph auf Willy Spilling (1965/66)

für Sopran- und Bariton-Solo, Chor, Orchester und Orgel

Requiem aeternam

Kyrie

Dies irae

De profundis

Quis vir ita vivat

V: Bärenreiter

UA: 12. April 1969, Kassel, St. Martin

Edith Urbancyk, Sopran; Siegmund Nimsgern, Bariton; Zsigmond Szathmáry, Orgel; Vokalensemble Kassel; Mitglieder des Staatstheaterorchesters Kassel; Leitung: Klaus Martin Ziegler

 

Während Werner Jacob begann, an seinem Requiem zu schreiben (das sich schließlich zu einem ca. 45-minütigen Werk entwickelte), starb völlig überraschend und viel zu früh ein Freund: Willy Spilling, der Leiter der Nürnberger Musikabteilung beim Bayerischen Rundfunk. Spilling (1909-1965), selbst Komponist, hatte sich nicht nur für die Alte Musik, sondern ebenso und ganz besonders auch immer für die zeitgenössische Musik, insbesondere für die in Franken lebenden Komponisten, eingesetzt, und er hatte dafür die alljährlichen „ars nova“-Konzerte geschaffen. So schrieb Werner Jacob dieses Requiem als ein Epitaph auf Willy Spilling.

Er begann sein Werk mit den üblichen Sätzen der Liturgie, um danach aber davon abzuweichen und das Requiem nach dem „Dies irae“ mit einem „De profundis“ und einem „Quis vir ita vivat“ zu beschließen. Der 16-stimmige Chor wird dabei quasi improvisatorisch behandelt, so dass immer wieder akkordlich kaum fassbare Sprachteppiche entstehen.

 

De visione resurrectionis (1966)

nach Ezechiel 36

für Bariton, großen gemischten Chor, 2 Schlagzeuggruppen und Orgel

V: Breitkopf & Härtel

UA: 28. Juni 1967, Nürnberg, St. Sebald, 16. Internationale Orgelwoche Nürnberg

Hartmut Ochs, Bariton; Siegfried Fink, Schlagzeug; Werner Jacob, Orgel; Chor des Süddeutschen Rundfunks (SDR) Stuttgart; Leitung: Hermann Josef Dahmen

 

Duodecim fabulae mythicae (1969)

für Sopran, Soloquartett, Sprecher, Chor mit 3 Instrumenten und Kammerensemble

V: Breitkopf & Härtel

UA: 1970, Meistersingerhalle, Nürnberg

Ursula Wendt, Sopran; Vokalensemble Kassel; Nürnberger Philharmoniker; Leitung: Klaus Martin Ziegler und Milan Horvath

 

Telos Nomou - Das Ende des Gesetzes (1970)

für Sprecher, 4 Bläser, 3 Schlagzeuger, Cembalo, Klavier und Orgel

V: Breitkopf & Härtel

Kompositionsauftrag der Frankfurter Kirchenmusiktage 1970

UA: 11. Oktober 1970, Frankfurt

Helmut Dreifert, Sprecher; Werner Peschke, Flöte; Hans Hahn, Oboe; Gottfried Roth, Horn; Gerhard Cichos, Posaune; Peter Ackermann, Richard Armbruster, Horst-Peter Brinkmann, Schlagzeug; Georg Schmidt-Arzberg, Cembalo; Zsigmond Szathmáry, Klavier; Peter Schumann, Orgel; Leitung: Lothar Lämmer

 

Das Werk entstand 1970 als Kompositionsauftrag für die Frankfurter Kirchenmusiktage. Es sollte eine kritische Antwort auf die damalige unkontrollierte Lust am Kirchenbau sein. Die

entsprechenden Bibeltexte für die vier Teile des Werkes stellte der Theologe Klaus Röhring zusammen: Passagen aus dem Alten Testament, die sich mit dem Tempelbau Salomos beschäftigen, werden in einen kritischen Kontext eingebaut.

Der erste Teil ist überschrieben „Hejkal Jehowah - Das Heiligtum Jahwes“. Wie auch die drei folgenden zerfällt er in zwei Abschnitte, die hier kontrastieren: „So sprach Gott durch seinen

Propheten: Ich habe in keinem Hause gewohnt - Salomo aber baute das Haus“.

So wird nötig, wovon der zweite Teil berichtet: „Christos Krisis - Christus, die Wende: Brecht diesen Tempel ab! - und als Reaktion darauf: Und siehe da, der Vorhang im Tempel zerriss!“

Daraus erwächst der dritte Teil, die „Ekklesia“, die Kirche, die o h n e Haus ist: „Wo zwei oder drei versammelt sind in meinem Namen, da bin ich mitten unter ihnen!“ - und deren Auftrag:

Gehet hin in alle Welt“.

Schließlich beschwört der letzte Teil die Vision der „Kainä Ktisis“, der Neuen Schöpfung: „Und ich sah einen neuen Himmel und eine neue Erde. Da wird Gott bei ihnen wohnen... Ich sah keinen Tempel, denn der Herr, der allmächtige Gott, ist ihr Tempel und das Lamm. Amen.“

Mehr noch als der Sprecher hat die Musik diese Texte zu interpretieren. Der erste Teil lebt ganz aus dem Kontrast zwischen Freiheit, musikalisch ausgedrückt durch Cluster und Klangfarbenschichtungen, und Strenge, vermittelt durch strengen Kontrapunkt. Kanonisch geführt ist, noch verschleiert, das Reihenmaterial, auf dem die ganze Komposition aufbaut, hier bereits vorhanden. Um das falsch verstandene Gesetz noch krasser anzuprangern, zitiert die Orgel das „Te Deum“ - aber falsch.

Die Wende durch Christus wird im zweiten Teil durch einen verwandelten Klangcharakter symbolisiert: durch Liegeklänge, durch changierende Klangsäulen - und durch einen diesmal richtig zitierten Choral: „Christe, du Lamm Gottes“. Nach dem Zerreißen des Vorhanges – einem großen Orgelcluster, der allmählich paralysiert, abgebaut wird - ist zum ersten Mal auch die bisher verschleierte Reihe in ihrer richtigen Form wahrnehmbar.

Ganz aus ihr gebaut wurde der dritte Teil, das Entstehen der neuen Kirche. Trotz der stehenden Klänge des vorangegangenen ist dies der eigentliche langsame Satz des Werkes, der klangmalerisch mit dem Reihenmaterial spielt und es ausbaut bis zur „neuen Schöpfung“.

Dieser letzte Satz ist zugleich der komplexeste, der alles Material - zuerst einzeln - wieder aufnimmt und umformt. Er endet in einer vielschichtigen Synthese aller bisherigen Elemente.

Susette Clausing

 

Canticum I: „Gelobt sei der Herr“ (1970)

für Bass, gemischten Chor und 7 Instrumentalisten

V: Breitkopf & Härtel

UA: 1. April 1973, Berlin

William Pearson, Bass; Peter Brem, Violine; Jörg Baumann, Violoncello; James Galway, Flöte; Wolfram Stöckhardt, Klarinette; Konradin Groth, Trompete; Axel Knuth und Jochen Winkler, Schlagzeug; Peter Siegele, Orgel; Berliner Motettenchor; Leitung: Peter Schwarz

 

Carmina profana (1971)

für gemischten Chor a cappella

1. Simus hic sedentes

2. Quam velim virginum

3. Meum est propositum

V: Breitkopf & Härtel

Kompositionsauftrag des Bayerischen Rundfunks München zum Kulturprogramm der Sommer-Olympiade 1972

UA: 7. September 1972, München

Chor des Bayerischen Rundfunks; Leitung: Heinz Mende

 

Da Pacem (1971)

für 3 Chöre (oder Chorgruppen), Soliloquenten und Orgel

V: Breitkopf & Härtel

Kompositionsauftrag von Rikskonserter, Stockholm (Schweden)

UA: 7. Mai 1972, Stockholm

Chor der Oskarskirche; Stockholmer Rundfunkchor; Chor des Gustaf-Frederiks-Gymnasiums; Karl-Erik Welin, Orgel; Leitung: Torsten Nilsson

DE: 6. Juli 1986, Nürnberg, St. Sebald, im Festgottesdienst der 35. Internationalen Orgelwoche Nürnberg (mit dem Generalthema „Dona nobis pacem“)

Cappella Sebaldina; Junger Chor Fürth (Einstudierung Hildegard Appel); schola cantorum norimbergensis (Einstudierung Bernt-Helmut Horn); Hans Martin Corrinth, Orgel; Leitung: Werner Jacob

 

Improvisation AG 2 (1971)

Apostelgeschichte 2, 1-21

für Bariton, Chor, Schlagwerk und Orgel

V: Breitkopf & Härtel

UA: 21. Mai 1972 Nürnberg, St. Sebald

Helmut Fischer, Bariton; Cappella Sebaldina; Ludwig Fink; Schlagwerk; Werner Jacob, Orgel; Leitung: Karl Wieser

Dieses zweite Stück aus der Reihe von Werner Jacobs „Improvisationen“ (das erste Stück ist „Improvisation sur E.B.“ für Orgel) ist für Solostimme, Chor, Orgel sowie Gong und Tamtam konzipiert. Neben fest auskomponierten Teilen und improvisierten Chor- und Orgelpartien steht der fixierte Solopart mit dem Bericht vom Pfingstgeschehen.

 

Sound Sections (1975)

für Stimmen, Tasteninstrumente, Schlagzeug und Video-Elektronik

Manuskript

UA: 21. Oktober 1975 Nürnberg, St. Sebald, im „Sebalder Nachtkonzert“

Mitglieder der Cappella Sebaldina; Helmut Scheller, Helmut Walz, Tasteninstrumente; Siegfried Fink, Schlagzeug; Klaus Hashagen, Elektronik; Oskar Koller, Bildkomposition

Eine Bildkomposition von Oskar Koller (1925-2004) bildete das Grundmaterial eines Video-Bandes mit elektronischen Verfremdungen; dazu komponierte Werner Jacob analog zu den Bildvariationen sechs musikalische Variationen.

 

Consummatio mundi (1976)

Eine radiophonische Szene für 3 Sprecher, Orgel und Elektronik

Text: aus der Schöpfungsgeschichte und dem 8. Psalm – Jörg Zink

Kompositionsauftrag des Bayerischen Rundfunks – Studio Franken

Produktion: 9.-11. Februar 1976, Nürnberg, Bayerischer Rundfunk – Studio Franken

Paul Bösiger, Margarete Bösiger, Leo Bieber, Sprecher; Werner Jacob, Orgel (Orgel von St. Sebald) und Realisation

 

In dieser elektronischen Komposition wird der biblische Schöpfungsbericht samt entsprechenden Psalmen mit einem „Antischöpfungs“-Text von Jörg Zink konfrontiert, der die Rückverwandlung unseres Planeten durch Menschenhand innerhalb von sieben Tagen ins Chaos schildert, wo der Geist des Menschen dann irrlichtert und das Gelächter aus der Hölle (dort erzählt man sich die spannende Geschichte von der Demontage unserer Welt) hinauf bis zu den Chören der Engel dringt. Eingeblendet sind in diese Texte echte Katastrophenmeldungen aus Rundfunk und Presse. Unterlegt ist die Collage mit sparsam verwendeten elektronischen Klängen und Geräuschen.

 

Das Stück ist eine Radiophonie: das ist eine rundfunkspezifische Musik, die vorwiegend im Studio - mit allen entsprechenden Mitteln und technischen Raffinessen - produziert und dann auch über Radio/Lautsprecher wiedergegeben wird.

 

 

 

Attorno al la (1973)

Variazioni per organo ed altre voci (hohe, mittlere und tiefe Stimme)

V: Breitkopf & Härtel

Kompositionsauftrag der Walcker-Stiftung der Universität Freiburg

UA: 1973, Sinzig

Zsigmond Szathmáry, Orgel; EXVOCO (EXpanded VOice COmpany) Stuttgart: Hanna Aurbacher, Mezzosopran; Theophil Maier, Tenor; Ewald Liska, Bass

UA der Neufassung (per organo, voci e live-electronic): 21. Oktober 1975, St. Sebald, im „Sebalder Nachtkonzert“

Werner Jacob, Orgel; Mitglieder der Cappella Sebaldina; Klaus Hashagen, Elektronik

 

Der Titel sagt, worum es in dieser Komposition geht: die Umgebung von a. Der Kammerton, auf den sich sonst alles einstimmt, der für Zusammenspiel, Stimmung, Stimmfindung die Bedeutung eines „kategorischen Imperativs“ angenommen hat, ist hier durch seine Umgebung umschrieben. Er ist nicht rein und allein zu finden, sondern immer nur annäherungsweise, angedeutet, anklingend. Erst aus seiner Umgebung ist er zu begreifen, aus seinem Umfeld nur zu hören. Der Ton, nach dem sich sonst alles einstimmt, hat sich aus den ihn umgebenden Tönen zu bestimmen und nicht umgekehrt. Deutlich wird dies in vier Variationen. Die erste Variation konfrontiert das vorgegebene Schlagzeug-a mit dem sich langsam aus dem Nichts entwickelnden Orgel-a und dessen „Umgebung“ (Akkordschichtungen, in denen ein D-Dur-Dreiklang dominiert mit einer Quinte a bei zu niedrigem Winddruck – also zu tiefer Stimmung) und dem aus dem Geräusch sich artikulierenden a der drei Singstimmen. Die Konstellation der Figuren bildet einen Kontrapunkt zum allmählich sich unter Winddruck-Erhöhung herauskristallisierenden Zentralton a. In der zweiten Variation, gleichsam einer Toccata, ist das a in die Pedal-Figuration eingebunden und wird mit verschiedenen Clusterbewegungen zu neuen Konstellationen geführt. Die dritte Variation stellt den Singstimmen-a-Akzenten Akkord-Schichtungen der Orgel gegenüber. Den Schluss – die vierte Variation – bildet ein Trio. Drei kanonisch geführte Stimmen treten einer Art Cluster-Aufschichtung gegenüber, die sich in Akkordbildungen um a mit kleiner und großer Terz auflöst und unter Winddruckerniedrigung wieder ins Nichts zurückkehrt.

Werner Jacob

 

 

Musik der Trauer (1972-1974)

für Sprecher, Flöte und Tonband

V: Breitkopf & Härtel

UA: 30. Mai 1974, Nürnberg

Paul Bösiger, Sprecher; Sebastian Kelber, Flöten; Werner Jacob, Realisation

 

Das 1974 entstandene Werk ging aus einem durchkomponierten Gottesdienst zum Volkstrauertag für den Bayerischen Rundfunk München hervor. Klaus Röhring hatte die Texte zusammengestellt unter dem Thema „Trauerarbeit“. Weite Teile des Tonbandes mit elektronischen Klängen, Chorstellen, Percussionsrastern, realen und verfremdeten Sprechertakes wurden mit ihren Grundfragen des „wer, wo und wie trauert man heute“ als Grundmaterial für das Tonband der „Musik der Trauer“ verwendet.


Hier tritt nun die theologische Fragestellung und ihre Beantwortung in einer Predigt gegenüber dem durchkomponierten Gottesdienst zurück, und es werden durch den Sprecher überzeitliche Aussagen aus der Bibel (im 1. und 2. Teil aus Psalm 137, Vers 1-4; aus den „Seligpreisungen“ nach Matthäus sowie aus Johannes, Kapitel 14 und 16), von Franz von Assisi und der Dichtung der Gegenwart (aus Gedichten von Thomas Ungaretti, den polnischen Poeten Krzysztof Kamil Baczynski und Józef Czechowicz sowie dem englischen Schriftsteller Dylan Thomas an die Seite gestellt.

Neben diesen hier live gesprochenen Texten gegenüber den von Männerstimmen teils im Vordergrund zu vernehmenden, teils in den Hintergrund zurücktretenden oder gar elektronisch verfremdeten Texten des Tonbandes hat der Flötist mit seinen verschiedenen Flöten einen bedeutenden hochvirtuosen Part. Die Flöte samt ihren Vorformen war von der Antike bis zur Barockzeit das typische Instrument, um der Trauer und der Klage Ausdruck zu geben. Auch bei dieser Komposition kommt ihr die musikalische Deutung des Geschehens zu, eine singuläre Aussage im Gegensatz zur Präsenz pluraler Klänge und Geräusche.

Werner Jacob

 

 

Babel (1980)

Biblische Szene für Sprecher, Soliloquenten (kleiner Chor) und großen gemischten Chor

V: Breitkopf & Härtel

UA: 10. Juni 1980, Nürnberg, St. Sebald, im „Sebalder Nachtkonzert“

Angela Schmitz, Sprecherin; Soliloquenten: Norma Kolb, Sopran I; Margit Horn, Sopran II; Bernt-Helmut Horn, Tenor I; Hans Seibold, Tenor II; Thomas Jesatko, Bass; Cappella Sebaldina; Leitung: Werner Jacob

 

Dieser biblischen Szene liegt der alttestamentarische Text des Turmbaus zu Babel und der babylonischen Sprachverwirrung zugrunde, sowie dann im abschließenden Teil die

Ausgießung des Heiligen Geistes nach der Apostelgeschichte II zusammen mit dem gregorianischen Pfingsthymnus „Veni creator spiritus“.

 

Die Komposition nutzt das Gegenüber und das Zusammen von Sprecher, fünf Soliloquenten und gemischtem Chor. Das Zitat eines klassischen Orgelwerkes (Bachs Toccata d-moll) bildet den Ausgangspunkt der semantischen Verfremdung des Babylon und Baal zu Babel – Belzebub – bis zur abschließenden Bla-Bla-Fuge. Der Einleitungs-Mordent desselben Werkes wird aber auch über das cantus-firmus-Material des Pfingsthymnus gestellt.

Werner Jacob

 

 

Sub cruce (1983)

für Mezzosopran, Tenor und 9-stimmigen gemischten Chor

V: Breitkopf & Härtel

Kompositionsauftrag des Deutschen Kirchenbautages 1983

UA: 16. September 1983, Nürnberg, St. Sebald, im „Sebalder Nachtkonzert“

Margit Horn, Mezzosopran; Bernt-Helmut Horn, Tenor; Cappella Sebaldina; Leitung: Werner Jacob

 

Das Werk entstand 1983 aus Anlass des 450. Todestages von Veit Stoß, dessen Kruzifixus mit den Assistenzfiguren Maria und Johannes den Ostchor der St. Sebalduskirche in Nürnberg beherrscht. Es ist als Meditationsmotette für 9-stimmigen gemischten Chor, Mezzosopran- und Tenorsolo nach Texten des Arnulf van Leiwen („Salve, caput cruentatum“, dem lateinischen Vorbild für Paul Gerhards „O Haupt voll Blut und Wunden“), von Jacopone da Todi („Stabat mater“) und ausgewählter Lyrik des spanischen Mystikers Juan de la Cruz geschrieben.

 

Das Werk wird eingeleitet durch eine 9-stimmige Motette (Adagio). Das folgende Andante bringt zum 8-stimmigen Chorpart ein Mezzosopran-Solo mit dem „Stabat mater“. Der spanische Text des Juan de la Cruz tritt im Tenor-Solo hinzu, beide Solostimmen vereinen sich zum Duett, der Chor schließt den Andante-Mittelteil ab und leitet zum Schluss-Adagio über, in dem über einem 4-stimmigen Männerstimmensatz der Frauenchor aus Bachs Matthäuspassion „Wenn ich einmal soll scheiden“ zitiert. Die beiden Solostimmen treten respondierend hinzu und münden nach der Wiederholung des „Salve“ in ein kurzes Amen-Melisma.

Susette Clausing

 

 

Gesang der Sirenen (1986)

(aus dem 12. Gesang der „Odyssee“ des Homer)

für Sprecher, Solo-Sopran, 5 Frauenstimmen, Solo-Kontrabass und 7 Tutti-Kontrabässe

V: Breitkopf & Härtel

Kompositionsauftrag für den Internationalen Kontrabass-Event, Freiburg

UA: 2. November 1986, Freiburg

Johann-Georg Schaarschmidt, Sprecher; Julia Mende, Sopran; Neue Vokalsolisten; Wolfgang Stert, Kontrabass; Kontrabassklasse der Musikhochschule Stuttgart; Leitung: Manfred Schreier

 

Der „Gesang der Sirenen“ entstand im Sommer 1986 auf Anregung meines Freundes, des Kontrabassisten Prof. Wolfgang Stert, Freiburg, und wurde beim 2. Internationalen

Kontrabass Event im November 1986 durch Wolfgang Stert als Solisten (ihm ist das Stück auch gewidmet) uraufgeführt.

Textgrundlage ist der 12. Gesang aus Homers „Odyssee“. Das Werk ist für einen Sprecher (der den Text in griechisch oder in deutscher Übersetzung sprechen kann), einen Solo-Sopran, 5 vokalisierende Frauenstimmen, einen Solo-Kontrabass und 7 Tutti-Kontrabässe konzipiert.


Die Tutti-Kontrabässe und die 5 Frauenstimmen füllen den vollen Tonhöhenbereich der Partitur, wo sie sich gegensätzlich gegenüberstehen oder komplementierend zusammengehen können in den unterschiedlichsten Strukturen und Konstellationen. Sie bilden den klanglichen Hintergrund für die 3 Solisten: den die Handlung tragenden Sprecher, die konzertierenden Stimmen des Solo-Soprans und des Solo-Kontrabasses. Die Singstimme personifiziert die tönende Verlockung der Sirenen, der Kontrabasspart stellt quasi ein Psychogramm der Qualen des Odysseus
dar.

Werner Jacob

 

 

Missa brevis (1987)

für Sopran, gemischten Chor und Orgel

V: Breitkopf & Härtel

UA: 29. Mai 1987, Nürnberg, St. Sebald, im „Sebalder Nachtkonzert“

Carola Schlüter, Sopran; Detlef Dörner, Orgel; Kammerchor der Musikhochschule Lübeck; Leitung: Hans Gebhard

 

Die „Missa brevis“ besteht als echte Kurzmesse nur aus dem „Kyrie“ und dem „Gloria“. Geschrieben ist sie in einer dem „Stile antico“ angenäherten Setzweise, die sich bewusst einer Reihe von alten Techniken bedient.

 

Der Ausgangspunkt des Ganzen ist ein in Terzen übereinander geschichteter Grundakkord (d – f – a – cis), der entsprechend auch abwärts gespiegelt werden kann (d – h – g – es) und der in seiner Transformierbarkeit und Transponierbarkeit die Keimzelle alles Weiteren ist und so das ganze Werk beherrscht: Es gibt kaum einen „freien“ Ton; (fast) jeder einzelne Ton ist – tonzentral – auf diesen Grundakkord bezogen, jedoch nicht funktional im Sinne der klassischen Harmonielehre, sondern gleichsam wertneutral. Auch wenn scheinbar Septakkorde, eine Sixte ajoutée oder ganz „romantische“ Zusammenklänge entstehen, so werden sie doch nicht nach den Regeln der Harmonielehre des 19. Jahrhunderts aufgelöst, sondern „gleichberechtigt“ nebeneinander gestellt.

 

Das Akkordische hat den absoluten Vorrang in dieser Missa brevis: In seiner Transformierbarkeit kann der Grundakkord nicht nur zu sanften Zusammenklängen, sondern auch zu aggressiven Klangballungen führen. Er kann quasi bitonal geschichtet werden, kann durch Umkehrungen verwandelt und bis zum Ausmessen des Zwölftonraumes erweitert werden. Wenn es im „Gloria“ heißt „Pater omnipotens“, dann ist an dieser Stelle auch der volle Zwölftonakkord erreicht – eine Symbolik, die von Jacob gezielt eingesetzt wird: Auch hier knüpft er an alte Traditionen an. Vor allem aber erwächst im „Gloria“ aus dem Zusammenlegen der Akkorde das B-A-C-H, das (auch in Transpositionen, mal scheinbar mehr nach Dur, mal nach Moll tendierend) im ganzen Satz eine zentrale Rolle spielt. Da das Akkordische, das Ausloten aller Möglichkeiten, die dieser Grundakkord bietet, hier Vorrang genießt, erwächst aus ihm auch die eher sparsame Melodik. Meist werden die Stimmen in Sekundschritten geführt – trotzdem eignet dem Stück ein überaus „melodischer“ Charakter.

 

Dem „Stile antico“ zuzurechnen sind auch weitere satztechnische Einzelheiten: Kanonartige Passagen, Orgelpunkte, Fauxbourdon-Stimmen – bis hin zu solchen Feinheiten wie im Kyrie, in dem nach dem „Christe“ der ganze Satz (leicht verkürzt) wieder zurückgeführt wird zu seinem Anfang. Ansonsten ist naturgemäß im „Gloria“ mit seiner größeren Textmasse das Material gegenüber dem „Kyrie“ stark erweitert, motivisch verdichtet – und beherrscht von Umkehrungen.

 

Zwar ist diese „Missa brevis“ ein eigenständiges, in sich geschlossenes Werk. Doch zugleich war sie wiederum die Keimzelle für eine größer angelegte Komposition: Sie ist später aufgegangen in der (mit Kammerensemble, Sprecher und Solisten reicher besetzten) „Missa contraria“.

Susette Clausing

 

 

Missa contraria (1987/88)

für Sprecher, Sopran- und Bariton-Solo, gemischten Chor und Instrumente

V: Breitkopf & Härtel

UA: 2. Oktober 1988, Stuttgart, Friedenskirche

Rainer Wolf, Sprecher; Ingrid Ade, Sopran; Ulrich Schaible, Bariton; Gerhard Braun, Flöten; Kurt Berger, Klarinetten; Michael Svoboda, Posaune; Werner Taube, Violoncello; Gyula Rácz, Schlagzeug; Christoph Bossert, Orgel; Collegium Vocale Stuttgart; Leitung: Helmut Wolf

 

Im „Sebalder Nachtkonzert 1987“ war die „Missa brevis“ von Werner Jacob uraufgeführt worden — eine eigenständige, in sich geschlossene Komposition, die aber bereits damals zugleich als Keimzelle für ein größeres Werk angelegt war: die „Missa contraria“. Diese 1988 vollendete und später noch einmal überarbeitete Missa ist in drei Schichten aufgebaut. Da ist als Grundschicht der nun komplette liturgisch gebundene lateinische Messtext. Ihm gegenübergestellt sind Texte aus den Psalmen des Alten Testaments. Die dritte Schicht bilden freie Texte - moderne geistliche Lyrik, Texte von Ingeborg Bachmann, Peter Huchel, Kurt Marti und Heinz-Dieter Metzger, aber auch aus dem Buch Hiob des Alten Testaments. Die Texte dieser Schicht werden den beiden anderen entgegengestellt: kommentierend, aber auch konfrontierend, kontemplativ und in Frage stellend.

 

Für diese Vielschichtigkeit dienten Werner Jacob die Messen der alten Niederländer aus dem 15./16. Jahrhundert als Vorbild - im Textlichen wie im Musikalischen. Dabei hat er die Schicht des Ordinarium Missae dem Chor zugewiesen und die moderne Lyrik dem Sprecher, während die „mittlere Schicht“ der Psalmentexte den beiden Solisten zugeteilt ist, die aber von Fall zu Fall auch in die Grundschicht einbezogen werden. So ist der Sopran im Kyrie beteiligt, und im Credo sind es sogar beide Solisten, die hier als „Concertino“, gleichsam als „Kleines Geistliches Konzert“ fungieren, während nur der Sprecher konsequent separiert bleibt.

 

Aber Jacob hat die drei unterschiedlichen Textschichten nicht nur durch ihre Besetzung voneinander getrennt, sondern auch durch ihre kompositorische Umsetzung. Den liturgischen Text hat er in einer dem „Stile antico“ angenäherten Setzweise vertont, bei der er sich bewusst einer Reihe von alten Techniken bedient (wie kanonartiger Passagen, Orgelpunkte, Fauxbourdon-Stimmen bis hin zu Krebsgängen und Spiegelungen). Dagegen soll die Vertonung der beiden anderen Schichten diesen „Stile antico“ mit modernen Techniken aufbrechen in weitere musikalische Bezirke.

 

So unterschiedlich diese musikalischen Ebenen beim ersten Hören wirken mögen: sie entstammen alle ein und derselben „Keimzelle“. Ursprung allen musikalischen Geschehens ist in dieser Missa contraria letztlich ein einziger Akkord. Genauer: es ist der vorletzte, der Vorhalt-Akkord aus dem Schlusschor von Johann Sebastian Bachs Matthäuspassion. Aus dessen Transformierbarkeit und Transponierbarkeit hat Jacob praktisch sein gesamtes harmonisches und melodisches Material gewonnen, das er dann ganz streng handhabt. Es gibt in dieser Komposition kaum einen „freien“ Ton, sondern (fast) jeder einzelne Ton ist – tonzentral – auf diesen Grundakkord bezogen, jedoch nicht funktional im Sinne einer klassischen Harmonielehre, sondern gleichsam wertneutral.

 

Auch wenn scheinbar Septakkorde, eine Sixte ajoutée oder ganz „romantische“ Zusammenklänge entstehen, werden sie doch nicht nach den Regeln der Harmonielehre aufgelöst, sondern stehen gleichberechtigt nebeneinander. Am ehesten ließe sich hier von einer (weitgespannten) Modalität sprechen. Aus ihr erwächst die Melodik der verschiedenen Schichten, aus diesem einheitlichen Grundmaterial entwickeln sich aber auch die überaus unterschiedlichen Charaktere der einzelnen Sätze.

 

In seiner extremen Transformierbarkeit kann der Grundakkord ebenso zu sanften Zusammenklängen führen wie zu aggressiven Klangballungen. Er kann quasi bitonal geschichtet werden und er kann durch Umkehrungen verwandelt, durch Spiegelungen erweitert werden - bis zur Totale des Zwölftonraums. Und er ist variabel genug, um zu weiteren Zitaten zu führen, ob nun (zuerst im Gloria) daraus das B-A-C-H-Motiv erwächst, ob es später Bartók- oder Reger-Zitate sind oder ob Jacob Choräle wie im Credo das „Christe du Lamm Gottes“ einbaut (das allerdings, wie manches andere Zitat, auf die einzelnen Stimmen verteilt und versteckt ist). Jacob benutzt diese Möglichkeiten in allen Sätzen seiner Messe zur Textausdeutung - so wird etwa, wenn es heißt „Pater omnipotens“, auch zum ersten Mal der volle Zwölftonakkord erreicht. Auch mit solcher Symbolik knüpft er an alte Traditionen an – und ebenso damit, dass sich vieles dieser Symbolik gar nicht gleich beim Hören, sondern (allenfalls unterschwellig wahrgenommen) erst beim genauen Studium der von Satz zu Satz immer intensiver, dichter und enger verwobenen Partitur erschließt.

Susette Clausing

 

 

Sub cruce II (1983/1989)

für Mezzosopran- und Tenor-Solo, gemischten Chor und Orchester

V: Breitkopf & Härtel

UA: 24. März 1989, Nürnberg, St. Sebald

Renée Morlock, Sopran; Georg Kaplan, Tenor; Cappella Sebaldina; musica-via-ensemble Stuttgart; Leitung: Werner Jacob

 

Das Werk entstand 1983 aus Anlass des 450. Todestages von Veit Stoß, dessen Kruzifixus mit den Assistenzfiguren Maria und Johannes den Ostchor der St. Sebalduskirche in Nürnberg beherrscht. Es ist als Meditationsmotette für 9-stimmigen gemischten Chor, Mezzosopran- und Tenorsolo nach Texten des Arnulf van Leiwen („Salve, caput cruentatum“, dem lateinischen Vorbild für Paul Gerhards „O Haupt voll Blut und Wunden“), von Jacopone da Todi („Stabat mater“) und ausgewählter Lyrik des spanischen Mystikers Juan de la Cruz geschrieben.

 

Das Werk wird eingeleitet durch eine 9-stimmige Motette (Adagio). Das folgende Andante bringt zum 8-stimmigen Chorpart ein Mezzosopran-Solo mit dem „Stabat mater“. Der spanische Text des Juan de la Cruz tritt im Tenor-Solo hinzu, beide Solostimmen vereinen sich zum Duett, der Chor schließt den Andante-Mittelteil ab und leitet zum Schluss-Adagio über, in dem über einem 4-stimmigen Männerstimmensatz der Frauenchor aus Bachs Matthäuspassion „Wenn ich einmal soll scheiden“ zitiert. Die beiden Solostimmen treten respondierend hinzu und münden nach der Wiederholung des „Salve“ in ein kurzes Amen-Melisma.

 

1989 hat Werner Jacob das Werk überarbeitet und orchestriert; in dieser Neufassung wurde es als „Sub cruce II“ am Karfreitag 1989 in St. Sebald in Nürnberg aufgeführt.

Susette Clausing

 

 

Canti di Petrarca (1989/90)

7 Canti su testi del Canzioniere di Francesco Petrarca per mezzosoprano e orchestra

V: Edition Gravis

Kompositionsauftrag aus Anlass des 75-jährigen Bestehens des Cleveland Museum of Art

UA: 23. Oktober 1991 Gartner Auditorium des Cleveland Museum of Art,

Charlotte Hellekant, Mezzosopran; The Cleveland Institut of Music Chamber Orchestra; Leitung: Carl Topilow

DE: 14. November 1991, Nürnberg, Colosseum

Jolanta Michalska, Mezzosopran; Nürnberger Symphoniker; Leitung: Georg Schmöhe

 

Der 1304 im toskanischen Arezzo geborene Humanist und Dichter Francesco Petrarca (gestorben 1374 im oberitalienischen Arqua) gilt als der Schöpfer der italienischen Sprache schlechthin und zugleich als größter Lyriker Italiens. In seinem „Il Canzoniere“, einer Sammlung von 366 Sonetten, Kanzonen, Sestinen, Balladen und Madrigalen (Formen, die für die gesamte europäische Lyrik für nahezu fünf Jahrhunderte zum Vorbild wurden) besingt er Laura. Die verheiratete, für ihn unerreichbare Frau hatte er 1327 zum ersten Mal getroffen, und fortan stellte sie für ihn das weltliche Schönheitsideal der Frau in der beginnenden Renaissance dar.

 

Werner Jacob hat sieben der im antiken Versmaß geschriebenen Sonette ausgewählt (es sind die Nummern 61, 35, 65, 156, 250, 272 und 365 des „Canzoniere“). In ihnen verleiht Petrarca seiner Liebe zu dieser Frau Ausdruck in sehr unterschiedlichen Bildern und Metaphern. In der Schönheit der Sprache Petrarcas spiegelt sich zugleich das Italien des Trecento: seine Kunst, die Schönheit der Landschaft. Für den Komponisten sind die „Canti di Petrarca“ Huldigungen an Italien: seine Kunst – seine Musik – seine Landschaft – seine Menschen.

 

Die „Canti di Petrarca“ hat Jacob auf Anregung Karel Paukerts aus Anlass des 75-jähigen Jubiläums des „Cleveland Museum of Art“ in den Jahren 1989 und 1990 in der Seneser Toscana geschrieben. Komponiert sind sie für Mezzosopranstimme und Orchester, wobei das Orchester mit Streichern, je zweifachen Holz- und Blechbläsern und einem reichen Schlagzeuginstrumentarium sowie Celesta besetzt ist. Zwischen den einzelnen „Canti“ (großes Orchester) sind jeweils „Notturni“ in solistisch-kammermusikalischer Besetzung eingefügt. „Canto IV“ bildet gleichsam die Mittelachse des Werkes und ist deshalb selbst in Form eines „Notturno“ kammermusikalisch gesetzt und direkt zwischen den beiden mit dem gesamten Orchester ausgeführten „Canti III und V“ eingefügt.

 

Als musikalische Formen wurden von Jacob alte, in Italien tradierte Formen wie Canzona, Ricercare, Capriccio oder zum Beispiel im „Canto VII“ eine Ciacona gewählt. Als musikalisches Ausgangsmaterial liegen dem Werk (wie meist bei Jacob) mutierende Modi zugrunde, die dem Ausgangsmodus zwar immer verbunden bleiben, aber trotzdem, dem wechselnden Textcharakter folgend, jeweils in Teilgruppen verändert werden.

Susette Clausing

 

 

Canticum II: Canticum Canticorum – Das Hohelied Salomonis (1990)

für Sopran- und Bariton-Solo, gemischten Chor, Flöte (auch Piccolo- und Altflöte), Klarinette (auch Bassklarinette), Violoncello und Schlagzeug

V: Edition Gravis

UA: 5. Oktober 1990, Nürnberg, St. Sebald, im „Sebalder Nachtkonzert“

Renate Brosch, Sopran; Thomas Jesatko, Bariton; Annette Hartig, Flöte; Christoph Gördes, Klarinette; Werner Taube, Violoncello; Gyula Rácz und Uwe Arlt, Schlagzeug; Collegium Vocale Stuttgart; Leitung: Helmut Wolf

 

Das Werk entstand im Jahre 1990. Werner Jacob hat den Text dazu gemeinsam mit der Theologin Woty Gollwitzer aus dem Hohenlied des Alten Testaments zusammengestellt. Das Hohelied ist eine Sammlung alter hebräischer und arabischer Liebeslyrik, wurde aber schon sehr früh in den Kanon der biblischen Schriften aufgenommen und umgedeutet, d.h. allegorisch auf Christus und die Kirche bezogen. Durch die Einbeziehung des Textes aus dem Korintherbrief, Kapitel 3, des Paulus wird es auch in Jacobs Werk eindeutig dieser allegorischen christologischen Deutung zugeordnet.

 

Wie so oft arbeitet Jacob auch in dieser Komposition mit Modi, wobei jeweils bestimmte modale Reihen dem Solo-Sopran, dem Solo-Bariton und dem Chor zugeordnet sind. Die Instrumente gehen in wechselnden Konstellationen modale Bindungen mit den verschiedenen vokalen Schichten ein.

 

Das Stück ist in acht Sätze aufgeteilt. Im Satz I (Andante) bringt der Chor – vorwiegend homophon gesetzt – die Kernaussage aus dem 8. Kapitel des Hohenliedes: „Die Liebe ist stark wie der Tod“. Der II. Teil wird attacca eröffnet mit der Chorfrage „Wer ist die, die heraufsteigt aus der Wüste?“, worauf der Solo-Sopran im anschließenden Adagio-Allegro-Adagio in Liedform das „Ich bin schwarz, aber gar lieblich, ihr Töchter Jerusalems“ intoniert, wobei er vom Chor vokalisierend sekundiert wird. Abgeschlossen wird dieser II. Teil von einem Duett Sopran-Bariton.

 

Der III. Teil (Allegro) stellt ein Frühlings-Liebeslied dar. Vom Chor wird der Frühling jubelnd begrüßt; die beiden Solostimmen geben ihrem Sehnen und Hoffen Ausdruck.

 

Im IV. Teil (Andante tranquillo) vereinen sich Bariton, Altflöte und Vibraphon zu einem Trio über rhythmisch gruppierten Gongschlägen, gefolgt von einem Adagio (Teil V) für Sopran-Solo, Flöte, Violoncello und Templeblocks.

 

Im VI. Teil (ein Andante für Chor und Sopran-Solo) wird eine Beziehung zum Eingangschor des zweiten Teils der Bachschen „Matthäus-Passion“ durch Zitate und Verfremdungen hergestellt. Teil VII ist ein Tanzsatz im 5/8-Takt (Allegro vivace) für den Chor und beide Solisten.

 

Im VIII. Teil (Adagio) nimmt schließlich der Chor den Text des Einleitungschores wieder auf, der Bariton bringt in Form eines „kleinen geistlichen Konzerts“ den Paulus-Text aus dem Korintherbrief, der Sopran kommt duettierend mit dessen Hauptaussage hinzu: „Nun aber bleibet Glaube, Hoffnung, Liebe“. Der Chor nimmt diesen Text auf, der vom Duett der beiden Solisten in der Ausformung des Finales nochmals bekräftigt wird.

Susette Clausing

 

 

Canticum III: Canticum Caritatis (1991)

für Mezzosopran, 2 Gongs und Tamtam

V: Edition Gravis

UA: 27. Januar 1991, Erlangen

Hanna Aurbacher, Mezzosopran und Schlagzeug

Werner Jacob schrieb sein „Canticum III“ im Januar 1991 für Hanna Liska-Aurbacher. Vorangegangen war ihm im Vorjahr „Canticum II: Canticum Canticorum“, das „Hohelied Salomonis“. Doch im Gegensatz zu dessen relativ großer Besetzung mit Chor, Solisten und Instrumentalisten ist die Besetzung beim „Canticum III“ aufs Äußerste reduziert: auf eine Vokalsolistin, die zugleich auch die geforderten Schlagzeuge spielen soll.

 

Textgrundlage für das „Canticum III“ ist das „Hohelied der Liebe“ aus dem 1. Brief des Paulus an die Korinther, Vers 13: das „Canticum Caritatis“.

 

Als musikalische Grundmaterialien dienten Jacob zwei Modi, die in verschiedenen Transpositionsstufen immer wieder erscheinen. Obwohl primär Textverständlichkeit angestrebt ist, werden auch semantische Umformungen einbezogen. Dazu kommen gesprochene Passagen mit oder ohne fixierte Tonhöhe, aber auch lange Melismen auf einzelne Textworte. Dem biblischen Text angefügt ist ein „Alleluja“, das in variablen Metren rhythmisch strukturiert ist.

Susette Clausing

 

 

Sinfonia Ekklesiastes (1991)

nach Texten der Heiligen Schrift (Prediger Salomon und Psalmen)

für Bariton, gemischten Chor und großes Orchester

V: Edition Gravis

Kompositionsauftrag von BMW Regensburg

UA: 30. Mai 1992, Regensburg

Thomas Jesatko, Bariton; Regensburger Kantorei; Nürnberger Symphoniker; Leitung: Wolfgang Gayler

 

Werner Jacobs „Sinfonia Ekklesiastes“ entstand im Jahre 1991. Der Auftrag sah eine Aufführungsverbindung mit Strawinskys „Psalmensinfonie“ vor. Allein schon dadurch bot sich ein alttestamentlicher Text für die Komposition an. Der Komponist wählte aus dem ihn stark beeindruckenden Prediger Salomo (= Ekklesiastes) Texte aus, ordnete sie in sinfonischer Viersätzigkeit an und konfrontierte sie mit Auszügen aus den Psalmen 1, 90, 91 und 104, die dem Chor zugeordnet sind, während dem Baritonsolisten die Predigerworte vorbehalten sind.

 

Als kompositorisches Ausgangsmaterial dienen Modi, d.h. Skalen, die anders als unsere kirchentonartlichen oder Dur-Moll geprägten diatonischen Tonleitern mit mehr als 7 der insgesamt 12 chromatischen Halbtöne arbeiten.

 

Der erste Satz bringt nach einer 57-taktigen Vivace-Einleitung in einem rhythmisch charakteristischen Allegro con fuoco im 12/8-Takt das eigentliche Hauptthema, das zunächst instrumental vorgestellt, dann vom Bariton (1. und 3. Kapitel Prediger Salomo) übernommen wird; das zweite Thema erklingt dann vom Chor (Psalm 1) in imitatorischem Satz. Nach der

Durchführung des ersten Themas und nach der Reprise des zweiten Themas schließt eine kurze Chor-Coda den ersten Satz ab.

 

Der zweite Satz (Adagio) ist in Form eines „Trauermarsches“ geschrieben: Der pessimistischen Schau des Predigers wird der Trost und die Zuversicht des 91. Psalms gegenübergestellt.

 

Im dritten Satz (Allegro vivace) – in Scherzoform – werden in komplizierten Taktwechseln die lebensbejahenden Texte (1. und 9. Kapitel) mit dem Alleluja-Jubel des 104. Psalms kombiniert.

Der subito attacca anschließende vierte Satz (Allegro agitato) hat den Epilog des Predigers (aus dem 12. Kapitel) und den quasi „Kyrie“-Anruf des 90. Psalms zum Inhalt.

 

Gegenüber der „Psalmensinfonie“ von Igor Strawinsky verlangt die „Sinfonia Ekklesiastes“ zwar eine geringere Bläserbesetzung und verzichtet auf die Klaviere, setzt aber dafür hohe Streicher und eine reiche Schlagzeugbesetzung ein.

Werner Jacob

 

 

De profundis clamavi (1992)

per soprano, alto, tenore e basso solo

V: Edition Gravis

UA: 5. Juni 1993, Düsseldorf, Neanderkirche

Ensemble EXVOCO: Monika Meier-Schmid, Sopran; Hanna Aurbacher, Mezzosopran; Berthold Schmid, Tenor; Ewald Liska, Bass

EA der Chorfassung: 6. Oktober 2001, Nürnberg, St. Sebald, im „Sebalder Nachtkonzert“

Neue Mannheimer Schule; Leitung: Georg Grün

 

Den Text des 130. Psalms „De profundis clamavi“ hat Werner Jacob als einen der ihn besonders bewegenden Psalmen mehrere Male vertont, zuerst 1965 in seinem „Requiem“ für Soli, Chor und Orchester, dann 1986 in einer Bearbeitung dieses Requiem-Satzes für Bariton, Chor und Orgel. 1992 nahm er nach dem Tod seines Freundes Dr. Hans Birkner den Text als Grundlage einer Gedenkmotette für 4 Solostimmen, wobei er an den Psalmtext noch die Bitten „Miserere nobis“ und „Requiem aeternam dona eis et lux perpetua luceat eis“ anfügte.

 

Nach Uraufführung der Erstfassung durch das EXVOCO-Ensemble unterzog er dieses Werk einer Überarbeitung für Kammerchor zu vier Stimmen, die im Sebalder Nachtkonzert 2001 durch das Vokalensemble „Neue Mannheimer Schule“ ihre erste Aufführung erfuhr. Zwölf Takte dieser „De profundis“-Vertonung - nämlich aus der Psalmodie abgeleitete Textzeilen „quia apud te …“ - übernahm Werner Jacob als nahezu wörtliches „Eigenzitat“ in sein „Miserere“ für vier- bis achtstimmigen gemischten Chor.

 

Die lineare Gestaltung der vier Stimmen ist hauptsächlich geprägt von Tritonus- und Halbtonschritten, immer wieder von kürzeren homophonen Abschnitten getrennt und gegliedert und mündet in den ebenfalls homophonen Schluss des „Miserere“ und des „Requiem“ ein.

Susette Clausing

 

 

Miserere (1992)

per coro da quattro a otto voci

V: Edition Gravis

UA: 1. Oktober 1993, Nürnberg, St. Sebald, im „Sebalder Nachtkonzert“

Vokalensemble Josquin des Prés; Leitung: Wolfgang Fulda

 

Werner Jacob hat immer wieder Stücke geschrieben, die vorhergegangene Kompositionen nochmals aufgriffen und neue Schichten um diese Werke legten. „Muschelstücke“ nannte er diese Kompositionen. Dabei ändern sich natürlich durch neue Schichtungen Länge wie auch die formale Gliederung sowie die instrumentalen Farben, ja selbst die Perspektive. Das gilt auch für die beiden Werke „Miserere“ für gemischten Chor und „De profundis clamavi“ (für 4 Solisten), die beide in engem Zusammenhang miteinander im Jahre 1992 entstanden. Beiden gemeinsam sind dieselben „Kerntakte“: den Takten 28 bis 42 im „Miserere“ entsprechen die Takte 34 bis 48 im „De profundis clamavi“. Darüber hinaus aber weichen die beiden Stücke voneinander ab. Zwar liegt ihnen beiden derselbe Text zugrunde, nämlich der 130. Psalm, ergänzt durch ein „miserere nobis“ und das „Requiem aeternam“ aus der Totenmesse, und sie deuten ihn ähnlich – aber doch auf unterschiedliche Weise. Dafür verwendet Jacob jeweils eigene Modi, die in Schichtung den chromatischen Zwölftonraum ausfüllen. Imitatorische Techniken tauchen ebenso auf wie choralartig schweifende, quasi kadenzartige Melismen und homophone Abschnitte.

Susette Clausing

 

 

Memento (1994)

Sinfonisches Triptychon nach Worten der Heiligen Schrift, Altkirchlichen Texten und Texten von Dietrich Bonhoeffer für Sopran und Bariton solo, gemischten Chor und großes Orchester

V: Edition Gravis

Kompositionsauftrag der Dr. Drechsler-Stiftung Nürnberg zum Gedenken des Endes des Zweiten Weltkriegs vor 50 Jahren

UA: 30. Juni 1995, Nürnberg, St. Sebald, im Rahmen der 44. Internationalen Orgelwoche Nürnberg - Musica Sacra

Gesa Hoppe, Sopran; Roland Hermann, Bariton; Chor des Norddeutschen Rundfunks Hamburg; Bamberger Symphoniker; Leitung: Ingo Metzmacher

 

Im Jahre 1995 gedenken wir des Endes des Zweiten Weltkriegs und der Zerstörung Nürnbergs vor 50 Jahren. Aus diesem Anlass wurde ich von Vertretern der Kirche und der Stadt Nürnberg darauf angesprochen, ob ich mich mit diesen Ereignissen nicht kompositorisch auseinandersetzen wolle. Schon vor einigen Jahren hatte ich für 1995 das Thema „Die Apokalypse in der Musik“ für die Internationale Orgelwoche Nürnberg vorgeschlagen, war also mit dieser Thematik seit längerem befasst. Ergebnis ist nun das Sinfonische Triptychon „Memento“.

 

Die Texte für den ersten Teil des I. Satzes bestehen aus den „Wehe“, den Warnungen der Propheten Jeremias, Jesaja und Hiob und Jesu Klage über Jerusalem für den Bariton-Part und dem Bußpsalm Nr. 14 für den Chor; den Schluss des I. Satzes bildet eine „Fantasie der apokalyptischen Reiter“, ein orchestrales Intermezzo infernale.

 

Der II. Satz ist ein Klagegesang, der Texte aus den „Lamentationes Jeremiae“ und dem „De profundis“ (130. Psalm) sowie des 137. Psalmes „Sie saßen an den Wassern zu Babel und weinten“ zum Inhalt hat.

 

Der III. Satz vereinigt Texte der Hoffnung und des Neuanfangs aus dem Alten Testament (Jesaja, Sacharja und Hesekiel) und des Neuen Testaments (die Seligpreisungen und das Bild des neuen, himmlischen Jerusalem aus der Offenbarung; ein Orchesterepilog, ein „Da pacem“ beschließt das sinfonische Werk.

Werner Jacob

 

Agnus Dei (1994)

für Sopran solo, Schola (oder Bariton solo), gemischten Chor und Orgel

V: Edition Gravis

UA: 5. Oktober 1995, Rothenburg ob der Tauber, St. Jakobskirche,

Konzert im Rahmen der Bayerischen Kantoren-Konferenz

Ruth Liebscher, Sopran; Cappella Sebaldina; Susanne Hartwich-Düfel, Orgel; Leitung: Hans-Martin Rauch

Das Hans-Martin Rauch zum 50. Geburtstag gewidmete „Agnus Dei“ verwendet außer dem Ordinariumstext Verse aus Giuseppe Ungarettis Gedicht „Mio fiume anche tu“, die dem Sopransolo zugeordnet sind.

 

Das „Agnus Dei“ ist entsprechend der Dreiteiligkeit der Texte ebenfalls dreigegliedert, wobei der Ungaretti-Text über den ersten beiden „miserere“-Anrufen der Schola und des Chores die textliche Klammer bildet. Im dritten Teil, der Friedensbitte, stimmt der Solo-Sopran mit in das „Dona nobis pacem“ ein, verbunden mit der letzten Anrufung des „Ecco, ti chiamo, Santo, Santo, Santo che soffri“. Der ersten und dritten Anrufung gehen jeweils achttaktige Orgel-Intonationen voraus, beim ersten Mal setzt im achten Takt der Orgel-Intonation die Choralschola, beim dritten Mal bereits im vierten Takt der Solo-Sopran ein.

 

Musikalisch basiert das Werk auf dem „Agnus Dei“ aus der IV. Choralmesse „Cunctipotens Genitor Deus“. Der gregorianische Cantus firmus ist auch Ausgangspunkt und Grundlage für die in diesem Stück verwendeten Modi, die in ihren verschiedenen Erscheinungsformen (Urgestalt, Krebsgang, Umkehrungen und Spiegelungen) die musikalische Struktur sowie die Harmonik bestimmen und die chromatische Totale ausfüllen.

Werner Jacob

 

 

Endzeit - eine eschatologische Szene (1997)

für Sprecher, Vokalquartett, gemischten Chor, 2 Schlagzeuger, 2 Orgeln und Elektronik

V: Edition Gravis

UA: 10. Oktober 1997, Nürnberg, St. Sebald, im „Sebalder Nachtkonzert“

Klaus Röhring, Sprecher; Ensemble EXVOCO: Monika Meier-Schmid, Sopran; Hanna Aurbacher, Mezzosopran; Berthold Schmid, Tenor; Ewald Liska, Bass; Hermann Schwander, Schlagzeug; Hans-Günter Brodmann, Schlagzeug; Werner Jacob, Hauptorgel; Susanne Hartwich-Düfel, Chororgel; Klaus Hashagen, Elektronik; Cappella Sebaldina; Leitung: Hans Martin Rauch

 

Es bedurfte nicht erst eines Jahrtausendwechsels und der Prophezeiungen des Nostradamus, um die Menschen in eine Endzeitstimmung zu versetzen. Die Menschheit hat zu allen Zeiten ihrer Geschichte, besonders bei Naturerscheinungen (z.B. Sonnenfinsternissen, Kometenerscheinungen, großen Fluten oder Dürren, Auftauchen von großen Vögel- oder Heuschreckenschwärmen usw.) mit dem Ende der menschlichen Zivilisation, mit dem Ende der Zeiten gerechnet. Alle Religionen mahnen solche Enden der Zeiten an und rufen zur Abkehr von allem Bösen, zur Umkehr zu einem gottgefälligen Leben auf und fordern von ihren Gläubigen entsprechende Reue und Buße. Viele Beispiele dafür finden wir in der Bibel, bei den Propheten und den Geschichten der Heiligen.

 

Und so stellte ich, unter der theologischen Beratung von Klaus Röhring von einem Grundtext Ephraim des Syrers (aus dem 4. Jahrhundert) über die Endlichkeit der Zeit und des Lebens ausgehend, andere Zitate aus dem 90. und 39. Psalm, dem Prediger Salomon, dem 1. Korintherbrief, dem Schluss der Offenbarung des Johannes und des englischen Dichters Dylan Thomas zu einer eschatologischen Szene für Sprecher, vier Gesangssolisten, gemischten Chor, zwei Orgeln und Schlagzeugensemble zusammen.

 

Dem Sprecher ist der Grundtext Ephraim des Syrers vorbehalten, dem Solistenquartett und dem Chor sind die Bibeltexte zugeteilt. Im Schlusssatz vereinen sich alle vokalen und instrumentalen Mitwirkenden beim Text von Dylan Thomas’ „Und dem Tod soll kein Reich mehr bleiben“ und der Offenbarungsverheißung „Das erste ist vergangen“.

Werner Jacob

 

 

Lamentatio David filii sui Absalom (1998)

für Bariton, Horn, Harfe, Orgel und 6 Percussionisten

V: Edition Gravis

UA: 23. Oktober 1998, Nürnberg, St. Sebald, im „Sebalder Nachtkonzert“

Dominik Wörner, Bariton; Joachim Bänsch, Horn; Laima Svarlyte, Harfe; Percussion-Ensemble Stuttgart; Andreas Gräsle, Orgel; Leitung: Klaus Tresselt

 

Eines der ergreifendsten Klagelieder des Alten Testamentes findet sich in 2. Samuel 15-19: die Klage Davids über den Tod seines Sohnes Absalom. Der Tod von einigen nahen Freunden veranlasste Werner Jacob zur Komposition dieser Totenklage, der „Lamentatio David filii sui Absalom“ (Texteinrichtung von Jochen Arnold nach 2. Samuel 15-19).

 

König David ist uns vornehmlich als der Sänger der Psalmen bekannt. Es lag für den Komponisten nahe, das Instrumentarium der Tempelmusik, wie es uns der 150. Psalm bezeugt, auf die uns heute gebräuchlichen Instrumente zu übertragen: Davids eigenstes Instrument ist die Harfe. Zum Tempeldienst rief der Schofar, das Horn des Widders; heute kommt das uns aus dem Symphonieorchester vertraute Horn diesem Klang am nächsten. Das organum dürfte eine frühe Form unserer Pfeifenorgel sein. Was sich den in der Vulgata zitierten „Cymbalis tinnientibus et sonantibus“ am ehesten klanglich nähern dürfte, sind verschiedene Schlaginstrumente wie Xylophon, Vibraphon, Marimbaphon, verschiedene Glockenspielformen wie Crotales, Röhrenglocken, Triangel, Gongs und Tamtam. Unter Timpani sind verschiedene Pauken und Trommeln zu verstehen. Das ergibt insgesamt ein reich besetztes Schlagzeug-Instrumentarium, das dem ganzen Stück als Klangteppich unterlegt ist.

 

Der Text, der zur Klage hinführt, ist dem Vokalsolisten vor allem in rhythmisch fixierter Sprache anvertraut, motivisch herausgehobene Stellen sind in Form des Sprechgesangs geschrieben, und die von David selbst gestellten Fragen nach und vor allem die Klage um den toten Sohn (im Latein der Vulgata) werden vom Solisten gesungen, wobei die Einleitung des Werkes und dann das Übergehen der Klage in die sprachlose Trauer als Vokalisen gestaltet sind. Der Komposition liegen aus den Namensbuchstaben von Freunden gebildete Modi zugrunde.

Susette Clausing

 

 

Herr, mache mich zum Werkzeug deines Friedens (1999)

für Sopran, Bariton, Sprecher, gemischten Chor und Orchester

V: Edition Gravis

Kompositionsauftrag der Stadt Nürnberg aus Anlass der Verleihung des Menschenrechtspreises der Stadt Nürnberg 1999

UA: 25. September 1999, Nürnberg, St. Sebald

Birgit Ströbel-König, Sopran; Thomas Jesatko, Bariton; Franziska Rauch und Gustav Roeder, Sprecher; Cappella Sebaldina; Sebalder Kantorei; Nürnberger Bachorchester; Leitung: Hans-Martin Rauch

 

 

Triptychon (1999)

I Threnema

II Charisma

III Eulogia

für Sopran, Bariton, Schlagzeug (3 Spieler), zwei Orgeln, Altflöte, Baßklarinette, Viola, Violoncello und Tonband

V: Edition Gravis

UA: 8. Oktober 1999, Nürnberg, St. Sebald, im „Sebalder Nachtkonzert“

Agelika Luz, Sopran; Dominik Wörner, Bariton; Klaus Dreher, Hermann Schwander, Hans-Günther Brodmann, Schlagzeug; Toni Hinterholzinger, Gong Samples; Werner Jacob, Reiner Schulte, Orgel; Robert Dohn, Altflöte; Dirk Altmann, Bassklarinette; Nicole Unger, Viola; Werner Taube, Violoncello; Manfred Dittmar, Elektronik; Leitung: Helmut Wolf

 

Trauer ist einer der Uraffekte der Menschheit und wurde in den verschiedenen Kulturen verschieden erlebt. Zu allen Zeiten wurden Musiken der Trauer ge­schrieben. Wir wissen von der Zweckbestimmtheit des Requiems in der Liturgie und Bindung der einzelnen Sätze an und innerhalb der „Missa pro defunctis“ als Ge­bet um Gnade und Erlösung für die Seelen der Verstorbenen vor Gott und im jüngsten Gericht.

 

Johannes Brahms schrieb sein „Deutsches Requiem“ ohne liturgische Bindung an eine kirchliche Gottesdienstordnung. Er stellte für die einzelnen Sätze Worte aus der Heiligen Schrift zusammen, die seiner persönlichen Überzeugung, sei­nem Glauben an und über Tod und Auferstehung entsprachen. Andere Requiem-Komponisten nehmen Dichterworte, wie z. B. Max Reger in seinem Requiem „Vergiß sie nicht, die Toten“ op. 145a, in diesem Falle von Friedrich Hebbel, als Textgrundlage, später immer freieren Inhalts wie z. B. Bernd Alois Zimmer­mann in seinem „Requiem für einen jungen Dichter“, oder sogar ohne textliche Bin­dung wie das „Requiem“ für Flöte solo des japanischen Komponisten Kazuo Fu­kushima. Mozart z.B. schrieb für seine freimaurerischen Freunde die „Maurerische Trauermusik“, Bohuslav Martinu eine „Trauermusik“ für die Opfer von Lidice, Krzysztof Penderecki Threnos“ für die Opfer des Atombomben-Abwurfs in Hi­roshima und Nagasaki. Aber es wurden auch viele Trauermusiken auf den Tod naher Freunde geschrieben, z. B. von Werner Heider und mir selbst. Margarete und Alexander Mitscherlich veröffentlichten 1967 ein bedeutendes Werk mit dem Titel „Über die Unfähigkeit zu trauern“. Darin prägten sie den Begriff „Trauer­arbeit“, die sich für jeden Menschen anders gestaltet und z. B. für einen Musiker in der Komposition einer „Trauermusik“ bestehen kann. Mit zunehmendem Alter begegnet einem der Tod von Freunden und Verwandten natürlich häufiger. Im letzten Jahr forderte der Tod gerade unter Freunden aus Nürnberg seine Opfer.

 

Das Ergebnis meiner Trauerarbeit liegt in diesem „Triptychon“ für Sopran und Ba­riton, sowie Schlagzeug (drei Spieler), zwei Orgeln, Altflöte, Bassklarinette, Viola und Violoncello vor - aufgeteilt in zwei räumlich getrennte Ensembles: Sopran, die beiden Bläser und ein Schlagzeuger stehen auf dem Engelschor, die kleine Orgel ist als Fernorgel eingesetzt, die übrigen Instrumente um den Bariton sind im Ostchor, vier Lautsprecher für das zweikanalige Stereotonband im Haupt­schiff postiert.

 

Die drei Teile tragen die Überschriften „Threnema“ (Klagegesang), „Charisma“ (Berufung, Begabung) und „Eulogia“ (Lobgesang).

 

Der erste Teil „Threnema“ ist allein den Instrumenten vorbehalten, vor allem den tiefen Dobaci (tiefe Tempelglocken) und den hohen Dobaci (höhere Glocken­schalen für die buddhistischen Hausaltäre) - beide sind Trauerglocken, dienen dem Andenken Verstorbener - sowie javanischen Buckelgongs und Tamtam, dazu kommen Röhrenglocken, Crotales, Marimba und Vibraphon, die zwei Holzbläser, die zwei Streicher und die zwei Orgeln.

 

Die Textgrundlage des zweiten Teils „Charisma“ bildet die Berufungsgeschichte Jesaja 6 sowie Jeremia 1, wobei die Stimme des Cherubims bzw. Gottes vom hohen Sopran, der berufene Prophet vom Bariton gesungen wird. Vom Ton­band kommen Abschnitte des gregorianischen Te Deum in elektronischer Verar­beitung. (Auf dem Tonband singt die Erlanger Choralschola; Leitung: Sigrid Wildt.)

 

Im dritten Teil „Eulogia“ werden die Verse 6-8 des 76. Psalms von den beiden So­listen gesungen mit einem abschließenden „Alleluja - Amen“.

 

Der ganzen Komposition liegen Modi zugrunde, die aus den 5 Initialtönen des Te Deum und ihrer Spiegelung um eine kleine Sekunde nach unten einen 8-töni­gen Modus ergeben.

Werner Jacob

 

 

Der Herr ist mein Hirte (2000)

Geistliches Konzert nach dem 23. Psalm für Mezzosopran, Klarinette (Bassklarinette), Schlagzeug und Orgel

V: Edition Gravis

UA: 14. Juni 2001, Nürnberg, St. Sebald

Hanna Fahlbusch, Mezzosopran; Norbert Nagel, Klarinetten; Hermann Schwander, Schlagzeug; Werner Jacob, Orgel

 

Cantate Domino canticum novum (2001)

für 4 Gesangssoli (SATB) und gemischten Chor

V: Edition Gravis

UA: 12. Oktober 2002, Nürnberg, St. Sebald, im „Sebalder Nachtkonzert“

Maja Tabatadze, Sopran; Mirjam Schreur, Alt; Alex Grigorev, Tenor; Frans Huijts, Bass; Studium Chorale; Leitung: Hans Leenders

 

Werner Jacob hat seine Motette „Cantate Domino“ für Chor und (sehr) hohen Solosopran geschrieben. Stilistisch wie formal ist sie gleichsam eine Rückerinnerung an die einzigartige Vokalkunst der alten Niederländer. Aus dem sich allmählich aufschichtenden Primärklang des Anfangs entwickelt sich in Sekundschritten ein dichtes polyphones Gewebe, das auch den Chorsatz der weiteren Teile wesentlich bestimmt. Nur der Solosopran bricht aus diesen eng geführten Schritten aus zu virtuosen Sprüngen und Linien. Das Stück mündet in ein virtuos gebautes „Alleluia“.

Susette Clausing

 

 

 

Triptychon in Psalmis – Gesänge wider die Verzweiflung (2002/03)

I Threnema

II Charisma

III Eulogia

für Soli, Chor und Orchester (Neufassung des „Triptychon“ von 1999)

V: Edition Gravis

Kompositionsauftrag der Internationalen Orgelwoche Nürnberg - Musica Sacra mit Unterstützung durch die „ernst von siemens musikstiftung“, Mercedes-Benz und den Kulturfonds Bayern

UA der Neufassung: 6. Juli 2003, Nürnberg. St. Sebald, im Abschlusskonzert der

52. Internationalen Orgelwoche Nürnberg - Musica Sacra

Sebastian Hübner, Tenor; Thomas Jesatko, Bariton; Vokalensemble Neue Mannheimer Schule; Deutsche Staatsphilharmonie Rheinland-Pfalz, Ludwigshafen; Leitung: Georg Grün

 

Trauer ist einer der Uraffekte der Menschheit und wurde in den verschiedenen Kulturen verschieden erlebt. Zu allen Zeiten wurden Musiken der Trauer geschrieben. Wir wissen von der Zweckbestimmtheit des Requiems in der Liturgie und Bindung der einzelnen Sätze an und innerhalb der „Missa pro defunctis“ als Gebet um Gnade und Erlösung für die Seelen der Verstorbenen vor Gott und im Jüngsten Gericht. Johannes Brahms schrieb sein „Deutsches Requiem“ ohne liturgische Bindung an eine kirchliche Gottesdienstordnung. Er stellte für die einzelnen Sätze Worte aus der Heiligen Schrift zusammen, die seiner persönlichen Überzeugung, seinem Glauben an und über Tod und Auferstehung entsprachen. Andere Requiem-Kompositionen nehmen Dichterworte, wie z. B. Max Reger in seinem Requiem „Vergiss sie nicht, die Toten“ op. 145a, in diesem Falle von Friedrich Hebbel, als Textgrundlage, später immer freieren Inhalts wie z. B. Bernd Alois Zimmermann in seinem „Requiem für einen jungen Dichter“, oder sogar ohne textliche Bindung wie das „Requiem“ für Flöte solo des japanischen Komponisten Kazuo Fukushima. Mozart z. B. schrieb für seine freimaurerischen Freunde die „Maurerische Trauermusik“, Bohuslav Martinu eine „Trauermusik“ für die Opfer von Lidice, Krzysztof Penderecki „Threnos“ für die Opfer des Atombomben-Abwurfs in Hiroshima und Nagasaki. Aber es wurden auch viele Trauermusiken auf den Tod naher Freunde geschrieben, z. B. von Werner Heider und mir selbst. Margarete und Alexander Mitscherlich veröffentlichten 1967 ein bedeutendes Werk mit dem Titel „Über die Unfähigkeit zu trauern“. Darin prägten sie den Begriff „Trauerarbeit“, die sich für jeden Menschen anders gestaltet und z. B. für einen Musiker in der Komposition einer „Trauermusik“ bestehen kann. Mit zunehmendem Alter begegnet einem der Tod von Freunden und Verwandten natürlich mehr und immer öfter. Im Jahr 1998 forderte der Tod gerade unter Freunden aus Nürnberg seine Opfer. Das Ergebnis meiner Trauerarbeit liegt in diesem „Triptychon“ vor.

 

Die drei Teile tragen die Überschrift „Threnema“ (Klagegesang), „Charisma“ (Berufung, Begabung) und „Eulogia“ (Lobgesang).

 

Der erste Teil „Threnema“ ist allein den Instrumenten vorbehalten, vor allem den tiefen Dobaci (tiefe Tempelglocken) und hohen Dobaci (höhere Glockenschalen für die buddhistischen Hausaltäre) - beide sind Trauerglocken, sie dienen dem Andenken Verstorbener.

 

Die Textgrundlage des zweiten Teils „Charisma“ bildet die Berufungsgeschichte Jesaja 6 sowie Jeremia 1, wobei die Stimme des Cherubim bzw. Gottes vom hohen Sopran, der berufene Prophet vom Bariton gesungen wird. Dazu kommen Abschnitte des gregorianischen „Te Deum“.

 

Im dritten Teil „Eulogia“ werden die Verse 6-8 des 76. Psalms von den beiden Solisten gesungen mit einem abschließenden „Alleluja – Amen“.

Der ganzen Komposition liegen Modi zugrunde, die aus den 5 Initialtönen des „Te Deum“ und ihrer Spiegelung um eine kleine Sekunde nach unten einen 8-tönigen Modus ergibt.

Werner Jacob

 

 

ein Schatten auf Erden (2004)

Motette für 4-8stimmigen gemischten Chor a cappella

V: Edition Gravis

UA: 9. Oktober 2004, Nürnberg, St. Sebald, im „Sebalder Nachtkonzert“

Kammerchor Saarbrücken; Leitung: Georg Grün

 

Werner Jacob versteht seine Motette als eine Huldigungsmusik an die großen Komponisten der Vergangenheit, gleichsam als eine Verneigung voller Respekt vor ihrem Können. Dafür hat er einen alten Brauch aufgenommen, mit dem schon seinerzeit im 17./18. Jahrhundert ein Musiker den anderen ehrte: Es galt keineswegs als Plagiat oder Einfallslosigkeit, wenn ein Komponist musikalische Themen eines anderen übernahm und neu bearbeitete, sondern ganz im Gegenteil als eine besondere Anerkennung. In diesem Sinne hat auch Jacob hier Themen und Formen der alten Meister übernommen. Er hat seine Motette in vier Sätze aufgeteilt und jeden Satz einem Komponisten der Vergangenheit gewidmet.

 

Allen voran erscheint hier im ersten Satz Johann Sebastian Bach; gleich zu Beginn der Motette zitiert Jacob das B-A-C-H-Motiv. Vom Gestus her sehr expressiv, versteht sich dieses Andante zugleich als harte Musik. – Textlich hat Jacob in seinem Werk manches aus BachsActus tragicus“ übernommen. Der Schluss ist hier auch musikalisch eine Reminiszenz an diese einzigartige Bach-Kantate, in der Intervall-Typik ebenso wie in der rhythmischen Grundstruktur.

 

Der zweite Satz, Adagio, molto espressivo, erinnert in seiner Chromatik an Claudio Monteverdi und auch an Carlo Gesualdo di Venosa. In seinem „großen Satz“ zum Schluss hin gemahnt er an Werke des Frühbarock wie Monteverdis „Ulisse“.

 

Den dritten Satz hat Jacob in drei Teile, drei vokale „Geistliche Konzerte“ unterteilt. Der erste Teil, in dem ein Solo-Sopran dem vierstimmigen Chor gegenübersteht, ist Johann Hermann Schein gewidmet, der zweite Teil führt mit seinem Rhythmus und seiner konzertierenden Doppelchörigkeit, ergänzt durch einen Solo-Tenor, noch einmal auf Johann Sebastian Bach zurück, und der dritte Teil, mit einem Solo-Bariton, knüpft an Heinrich Schütz und seine „Geistliche Chormusik“ an, so wie die gesamte Motette für Jacob eine neue Sicht auf die „Musikalischen Exequien“ von Schütz darstellt.

 

Attacca“ schließt der vierte Teil an. Um eine Quint nach oben transponiert erklingt hier nicht nur der Cantus firmus, sondern der gesamte vierstimmige Satz des Orgelchorals „Mit Fried und Freud ich fahr dahin“ aus Johann Sebastian Bachs „Orgelbüchlein“. Dabei wird lediglich der Bachsche Grundrhythmus eines Sechzehntels mit jeweils zwei nachfolgenden 32tel-Noten verändert in einen triolischen Rhythmus mit einer Achtelnote und zwei nachfolgenden Triolen-16tel. Das verleiht dem Satz einen gleichsam Totentanz-artigen Charakter. Kontrapunktisch, Fauxbourdun-artig setzt Jacob die drei Unterstimmen mit dem Text des „Nunc dimittis“ dagegen, und zwar im ruhigen Duolen-Fluss, so dass sich Zweier- und Dreier-Rhythmen überlagern.

Susette Clausing

 

Werner Jacob  |  info@ion-musica-sacra.de